RADIOLUX

radiolux.pio

Radiolux – audio visual improvisation

Marek Brandt
Elektronik, FX, Synth
Fabian Niermann
Saxophon, präparierte Klarinette
Inka Perl
Licht, Animationen, Bilder

 

Das Wort Improvisation stammt vom lateinischen improvisus her und bedeutet unvorhergesehen, unvermutet, ohne Vorbereitung. Improvisation ist eine Haltung auf das Überraschende hin, eine Einstellung zum Miteinander – und umschreibt damit auch etwas, was es so noch nicht gibt. Improvisation siedelt im Zwischenraum zwischen Denken und Handeln, zwischen Erdachtem einerseits und Erhandeltem, Erfühltem andererseits, ist Prozess, Spiel, Offenheit, Öffnung. Die Improvisation lebt davon, zwischen Geordnetem und Ungeordnetem, Strukturiertem und Unstrukturiertem, Vorbereitetem und Unvorbereitetem hin und her zu wechseln. Das „Ding“ wiederum kommt vom althochdeutschen „thing“, dem Wort für „Versammlung“, „Gericht“, wo eine gemeinsame Sache zum Austrag kommt. Die Dinge liegen also nicht einfach da, sie nehmen teil, eigenwillig, mitunter aufsässig, tragen an unseren menschlichen Angelegenheiten mit.

In den audiovisuellen Performances von Radiolux, die in der Formation von Inka Perl, Marek Brandt und Fabian Niermann auftreten, kommen auf seltsame, überraschende Weise die Versammlung, Handlung von Dingen, Klang und Ton im Feld der Improvisation zusammen. Das Flüchtige, Fließende, sich in Veränderung Befindende, das sich in Vorgängen und Ereignissen vollzieht, wird zum vielsinnigen Ereignis.  Im offenen, wechselseitigen Zusammenspiel der Dinge und Menschen mit ihren Instrumenten entstehen dichte, freie Kompositionen, beflügelt von wechselseitiger Stimulation und Inspiration. Radiolux sendet life. In einem Raum, der sich durch permanente Variation verschiebt, scheint die Ordnung der Sinne außer Kraft: Zu hören sind meist kleine, unscheinbare Gegenstände, zu sehen sind Klänge und beides geht im Spiel und Widerspiel ineinander, kollidiert, stößt sich ab, zieht sich an. Radiolux versendet die Akustik der Materie, die Optik der Klänge,  der Sender ist die materialisierte Kommunikation. Schnelles verbindet sich mit Langsamem, Bewegung mit Stillstand, Ferne mit Nähe. In der Verflechtung von Bild und Klang geht es nicht um wechselseitige Illustration – das, was man sieht liegt nicht in dem, was man hört, was man hört sucht man vergeblich in den Bildern. Im  gesteigerten Hören, im fließenden Schauen werden in den vielschichtigen Montagen aus Tönen, Bildern, Handlungen die geheimen Synästhesien von Wahrnehmung und Klang erkundet. In der Passage vom Einen zum Andern eröffnen sich flüchtige ephemere Stimmungen, Klangbilder, Bilderklänge.
Subtil und souverän, sanft und widerborstig betreibt Radiolux die Auflösung von eingespielten Regeln, destabilisiert gewöhnliche Sichtweisen, eingeübte Hörmuster. Der Klang- und Bildraum wird zu einem mobilisierten, mobilisierenden Ort, der immer wieder neue Transitorien zwischen Betrachten und Hören, zwischen Anschauung und Denken, zwischen den vielfältigen Ebenen der Inszenierung  entfaltet.

Dorothée Bauerle-Willert